Überall Doping… Mittwoch, Aug 1 2007 

Ich hab’ früher mal in einer anderen Stadt Nachtschicht gearbeitet. Jeden Morgen fuhr ich mit dem Zug heim und holte mir vorher noch im Bahnhof was zum Frühstücken. Bei mir waren das belegte Brötchen und ein Saft, ich freute mich schon auf ein Nickerchen im Zug. Häufig sah ich dabei Geschäftsleute und Vertreter im Anzug, die schon zu Hause gefrühstückt hatten. Jetzt holten sie nach, was Mutti nicht bieten konnte. Sie kauften drei Jägermeister oder vier Kümmerling und schossen sich gleich mal einen direkt an der Kasse hinter die Krawatte.

Unsere Radprofis treiben es auch ganz doll, halb Deutschland regt sich darüber auf – am allermeisten ARD und ZDF, die aus der Tour-Übertragung ausgestiegen sind, weil mal wieder einer erwischt wurde. Doping im Radsport – pfui. Die Logik soll einer verstehen: Erst wird Druck gemacht, damit es Kontrollen gibt und gibt es dann Kontrollen, wundert man sich, dass auch ab und zu einer erwischt wird.

Dabei gäbe es für die Fernsehsender ein viel interessanteres Thema: Doping vor und hinter der Kamera. Wer mal ein wenig mit Fernsehleuten zu tun hatte, weiß: Es sind nicht wenige Moderatoren, Produzenten und Kameraleute, die ohne ihr Näschen Koks gar nicht erst zum Dienst antreten würden. In den so genannten Kreativberufen gehört das magische weiße Pulver seit Jahrzehnten zum Alltag, es wird gedopt zum Durchhalten, um eine gute Figur zu machen, aus Sucht oder weil’s zum Ritual geworden ist.

Viele Medizin-Studenten bewältigen ihren immensen Lernaufwand seit Generationen mit den Mittelchen, über die sie in ihren Pharmazie-Kursen alles gelernt haben. Teilweise basteln sie sich ihr Doping selbst zusammen. Und angeblich gibt es sogar Leute, die angesichts der Aufgaben, die das Clubleben an sie stellt, zu leistungsfördernden Substanzen greifen. Ganz Deutschland dopt. Es wird Zeit, dass Innenminister Schäuble vorschlägt, jedem Deutschen wöchentlich einmal einem Blut- und Schweißtest zu unterziehen, damit diese Sauerei ein Ende hat. Mich regt das tierisch auf. Wird Zeit für eine Tüte zum Runterkommen.

Häggedää in läkkaläkka Schubladen Sonntag, Apr 1 2007 

Wenn man über Jahre Interviews mit Musikern führt, stellt man fest: Nahezu alle hassen eines ganz besonders und zwar in Schubladen gesteckt zu werden. Der eine will mit „Trance“ nichts zu tun haben, der andere mit „Minimal“. Die Angst davor ist bei manchen Künstlern geradezu panisch, so als würde man sie ganz persönlich in eine echte Schublade stecken und diese so fest schließen, dass keine Luft mehr hinein kommt zum Atmen. Sie haben ja Recht. Man muss da aufpassen. Wer eine Serie von Interviews gibt und sich dabei als Elektro-Produzent verkauft, der wird dieses Etikett nicht mehr los. Selbst wenn er Jahre später als Leadsänger einer Heavy-Metal-Band auftritt, werden ihn die Journalisten auf seine Elektro-Vergangenheit ansprechen. Manchmal sind Schubladen aber auch was Praktisches. Der Besuch beim Plattendealer um die Ecke würde direkt in den Wahnsinn führen, wenn nicht ein wenig Ordnung da wäre. Schubladen sind gut geeignet, einige Dinge von sich fernzuhalten, von denen man weiß, dass man sie nicht braucht. Für mich bleibt zum Beispiel die „Trance-Schublade“ für immer und ewig geschlossen, ihr Inhalt kann vermodern und Staub ansetzen, sie ist derart schalldicht zu gemacht, dass auch nicht das kleinste „Häggedää“ aus ihr herausfindet. Eine Schublade, die ich dagegen mag, ist die Schublade mit der Aufschrift „Clubs, in denen der DJ auf gleicher Höhe mit der Tanzfläche agiert“. Zugegeben: Eine etwas lange Beschriftung, aber hilfreich. Ich habe gerade nachgezählt und bin auf genau acht Clubs gekommen, die für mich in die Schublade „Kult-Club“ gehören – in ganz Deutschland und den letzten 10 Jahren. Nur in einem davon, dem Ultraschall in München, hatte der DJ eine Kanzel. Meine Beobachtung: Steht der DJ oben, ist er nicht mehr mittendrin, sondern nur dabei. Steht er lieber oben als unten – vergiss ihn! Am tollsten wäre es, wenn es DJs gäbe, die wie die in Berlin bekannten 1-Euro-Bratwurstwalker ihre Turntables als Bauchladen vor sich hertragen und zwischen den Tanzenden Spazieren gehen. Bis das technisch möglich ist, werden sich aber noch viele Ingenieure den Kopf zerbrechen müssen – es gilt nichts Geringeres zu erfinden, als die sprungunfähige Nadel. Bis es soweit ist, fordere ich die Türsteher der Hauptstadt auf, doch ab und zu einen der 1-Euro-Bratwurstwalker in die Clubs zu lassen, in denen ich verkehre, denn immer öfter habe ich beim Feiern Bock auf einen Bratschwanz, so lecker die Speisen von unserem beleibten und beliebten südländischen Freund auch sind, der im Sommer in wirklich jeder Location laut „Läkka-Läkka-Säänwitsches“ ruft und es damit verdient hat, in die Schublade „Omnipräsent“ gesteckt zu werden.

Raver-WM in Berlin Sonntag, Mär 11 2007 

Die Mannschaft aus der Schweiz ist Titelgewinner bei der Raver-WM in Berlin geworden – wer hätte das gedacht. Aber so ist das eben häufig – am Ende setzt sich die Mannschaft durch, die in einem Wettbewerb von Runde zu Runde zusammenwächst.

Und das ist den Schweizern hervorragend gelungen. Schließlich waren die Feierleistungen der Eidgenossen in der Vorrunde noch recht holprig: Den Außenseiter Thailand hatte man – kein Wunder – schnell im Raver-WM-Stadion Watergate unter den Tisch gesoffen, aber der andere Vorrundengegner, England, wäre fast zum Stolperstein geworden.

Die Briten hatten im Berghain gut mitgehalten, alle Aufgaben schon fast gelöst (Barpersonal zum Tanzen animieren, 10 Jäger mit Fremden trinken, Darkroom benutzen), da kam dann doch die alte Unsitte durch: Auf der Theke die Hosen runterlassen. Klares Foul. Disqualifikation. So kamen die Schweizer, die nur mit Mühe mithalten konnten, doch noch ins Halbfinale.

Dort warteten die Australier, die als einziges nichteuropäisches Team den Weg in die Vorschlussrunde geschafft hatten. Ihr Handicap: Die gleiche Spielanlage wie die Briten. So waren unsere alpinen Freunde im Halbfinalspielort Raver-WM-Stadion polar.tv prima auf den neuen Gegner eingestellt. Die Aussis hüteten sich zwar vor unangebrachten Strips, hatten aber dennoch nicht mitbekommen, dass die Schlägerei vor der Clubtüre inzwischen nicht mehr mit Gelb, sondern mit Rot bestraft wird. Das Aus!

Schließlich das Endspiel: Die deutsche Mannschaft mit Vertretern aus Berlin und Frankfurt gegen die Schweiz, ausschließlich mit Spielern aus Zürich. Die Wettkampfkommission hatte die Latte hoch gelegt: Schon die erste Aufgabe bedeutete Heimvorteil für Deutschland, denn es galt zunächst, den Austragungsort, eine nicht öffentliche illegale Party, zu finden. Hier konnten sich die Berliner natürlich auf Tipps aus dem Publikum verlassen. Die Eidgenossen fanden aber die ansonsten gut versteckte Restrealität, wo der Spielort gepostet war und verschafften sich den rechtzeitigen Einlass ins Raver-WM-Final-Stadion, eine stillgelegte Fabrik in Köpenick.

Dort dann ein Kampf auf Augenhöhe: Die Schweiz schickt ihre besten DJs ins Rennen, Deutschland schiebt einen Liveact nach. Da beide Mannschaften immer wieder vom Publikum verschiedene Doping-Substanzen zugesteckt bekamen, zieht sich der Kampf in die Länge. Hier sorgt die neue Sudden-Death-Regelung für Spannung, nach der so lange gefeiert wird, bis ein Mannschaftsmitglied einschläft oder nach Hause geht. Und dann passierte es, nach 18 Stunden: Der deutsche Mannschaftskapitän kann seine wallenden Hormone nicht mehr im Zaum halten und gibt dem Werben der DJane-Headlinerin aus Brasilien nach: Er folgt ihr via Backstage ins Hotel, hat seinen Spaß – und Deutschland verloren.

Die Revanche in vier Jahren bei der nächsten Raver-WM auf Ibiza.

Eine unglückliche Entwicklung in St. Tropez Dienstag, Nov 22 2005 

Von manchen Angewohnheiten meines Vaters bin ich heute richtig angewidert. Sobald ich sie auch nur ansatzweise bei mir selbst entdecke, zucke ich zusammen. Alles was mich an ihm störte fiel mir erst ab dem Alter von 14 Jahren auf. Zum Beispiel sein offen zur Schau getragener Chauvinismus. Für ihn waren Frauen schlicht dümmer als Männer und Juden beherrschten die Welt. Allerdings hat er Frauen immer gern gefickt, bis ins hohe Alter.

Einmal waren wir für eine Woche in St. Tropez. Ich war 16. Mein Bester Schulfreund machte in der Nähe Urlaub. So fügte es sich, dass wir ihn und seine Mutter einluden, uns zu einer Abendeinladung zu begleiten. Geplant war ein Essen in der Wohnung eines ARD-Hörfunkkorrespondenten, der einen Teil seiner Zeit in Moskau und die nicht zu knapp bemessene übrige Zeit in seiner Wohnung in Ramatuelle verbrachte. Dieses wunder schöne schneckenartig um eine Bergkuppe gruppierte Dorf hatte sich trotz des St.-Tropez-Wahns gut gehalten und war Heimat für viele Künstler und andere Lebemenschen geworden und dabei ruhig und beschaulich geblieben. Unser Gastgeber verfügte über eine der schönsten Wohnungen dort: Im Dorfzentrum, unweit der Bar de l’Ormeau, ließ sich vom Balkon aus der gesamte Ort überblicken.

Die Mutter meines Freundes, eine geschiedene Generalsgattin, wurde neben meinen Vater platziert, Jörg und ich an einen Katzentisch. Wir verfolgten trotz der Distanz die politischen Diskussionen der Erwachsenen. Jörgs Mutter machte dabei eine gute Figur. Sie war eine edle Erscheinung, mit Stil, Bildung und Eloquenz. Für meinen Geschmack nur zu viel geschminkt, worin ich mir mit Jörg einig war. Eloquenz und Bildung besaß mein Vater auch, an Stil fehlte es ihm jedoch völlig. Er versuchte das durch den Kauf von Designer-Slippern und Armani-Pullovern auszugleichen. Mir tat er dabei immer etwas leid, denn jeder mit Geschmacks- und Markenbildung erkannte an dem unmöglichen Mix, an den unpassenden Socken oder anderen Details, dass er von Mode nichts verstand. Es trieb mir fast die Tränen in die Augen, wenn ich seine Badezimmerausstattung sah: Quelle-Versandhandtücher mit rosa Rosen, billiges Rasierwasser, BAC-Deo und plüschige pastellfarbene Klovorleger.

Die Zornesröte trieb es mir aber ins Gesicht, als mein Vater im Verlauf der Diskussion in Ramatuelle eine treffende Bemerkung von Jörgs Mutter mit dem begeisterten Ausruf „Kluges Frauchen!“ lobte und ihr dazu einem Schüler gleich, über den Kopf wuschelte. Sie bewies Contenance und ließ sich nichts anmerken. Ich versank vor Scham fast in den Boden.

Die Mächte der Finsternis hatten aber für diesen Spätsommerabend noch mehr vorgesehen: Ein wenig später wurde ich von meinem Vater zum Auto geschickt, um dort Zigaretten für ihn zu holen. Vom Einkauf lag noch eine Stange Gauloises auf der Rücksitzbank seines neu erworbenen gebrauchten BMW 320. Sechs Zylinder, das erste Mal, dass er keinen Renault fuhr. Sein Stolz. Auch wenn er, der Mittelschullehrer, von Gewissensbissen geplagt wurde. Denn sein Direktor fuhr Opel und BMW war höher – das ging eigentlich nicht. Ich bekam den deutlichen Hinweis mit auf den Weg, ja dafür zu sorgen, dass das Auto auch gut abgeschlossen ist.

Hier zeigte sich der Kontrollwahn meines Vaters. Der hatte schon in der Ehe mit meiner Mutter jeden Streit protokolliert, um Wochen später seine Notizen bei anderer Gelegenheit mit einem triumphierenden „Am 24. März hast Du aber gesagt…“ aus dem Archiv zu fischen. Im Alltäglichen schlug sich der Wahn etwas harmloser aber dennoch nervend wieder. So verzögerte sich die Abfahrt in den Urlaub, weil meinem Vater kurz nach Abfahrt einfiel, dass er hundertprozentig noch eine Herdplatte an hatte. Mein Einwurf, dass sowohl er, als auch ich das doch kontrolliert hätten, zählte nicht.

Auch die Gewissheit, die er sich durch Rückkehr und eine erneute Kontrolle verschaffte, hielt nicht lange vor. Zwei Stunden später, kurz vor der Grenze zu Frankreich, stoppte er an der letzten deutschen Telefonzelle, um seinen Nachbarn zu beauftragen, mit dem Ersatzschlüssel noch einmal nach dem Herd zu sehen. Er sei sich ganz sicher, dass da eine Herdplatte nicht ausgemacht wurde.

All dies im Kopf holte ich also meinem Vater Zigaretten. Natürlich verschloss ich den BMW sorgfältig und kontrollierte nochmals Türen und Kofferraum. Und nochmals. Das war ansteckend. Jedes Schloss war abgeschlossen. So wahr mir Gott helfe!

Das alles zählte nicht mehr, als wir Stunden später zum Parkplatz kamen und der Wagen weg war. Da war alles aus. Mein Vater war von der Überzeugung nicht abzubringen, ich hätte den Wagen nicht verschlossen und es den Dieben leicht gemacht.

Er nutzte seinen ADAC-Schutzbrief, um nach Hause zu fliegen – ein elitäres Vergnügen zu dieser Zeit. Ich fuhr mit meinem Freund und der Generalsgattin per Golf GTI nach Hause. Es war der letzte Urlaub mit meinem Vater. In den folgenden knapp 20 Jahren bis zu seinem Tod besuchte ich ihn nur noch am Heiligen Abend für vielleicht zwei Stunden. Ich hatte Tage Horror davor und Stunden schlechte Laune danach. Mein Motiv war Mitleid und schlechts Gewissen, wenn ich ihn ganz hätte fallen lassen. Der BMW tauchte vier Wochen nach dem Vorfall wieder auf. Einige Kilometer entfernt vor einer Diskothek. Ein paar Jungs hatten ihn aufgebrochen, weil das bequemer war als zu trampen. Der BMW fiel an die Versicherung. Mein Vater hatte sich von der Vollkaskoauszahlung einen Renault Fuego gekauft.

Der kluge Hauptmann Montag, Apr 11 2005 

„Wenn Sie eine Freundin haben – wundern Sie sich nicht, wenn Sie die in ein paar Wochen los sind!“ Das sagte vor versammelter Mannschaft unser Kompaniechef, da waren wir Jungs gerade erst ein paar Tage beim Bund. Der Satz ging bei mir wie bei meinen Kameraden zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Irgendwie schien sich das Statement aber doch bei uns eingefressen zu haben, denn am Abend war es Top-Thema auf unserer Stube. Fast alle hatten eine Freundin – ich vielleicht seit zwei Wochen – und alle die eine hatten, beteuerten, dass ihr Mädchen schon treu und bei der Stange bleiben werde.

Bei mir dauerte es gute drei Monate, bis es soweit war. Ich hatte das nahezu komplette Faschings-Wochenende Bereitschaftsdienst und konnte erst am Faschingsdienstag in das Party-Geschehen eingreifen. Meine Freundin hatte mich in die Tanzschuldisco bestellt. Da traf sich die Szene meiner schillernden Heimatstadt Würzburg, die Szene zwischen 14 und 19. Ab und zu schauten auch mal ein paar Twens vorbei und adelten damit die Veranstaltung. Ich brauchte sicher zwei Stunden, bis ich sie fand. Zu meiner Überraschung deutete sie an, nicht weiterfeiern, sondern mit zu mir kommen zu wollen. Ich hatte seit kurzem eine eigene Wohnung, 1 Zimmer, Hinterhof, aber für mich alleine. Das hatten meine Freunde samt und sonders noch nicht. Ich freute mich.

Schon nach 100 Metern an der frischen Luft sah ich Tränchen über ihre Wangen kullern und aus ihrem Mund kam der Satz: „Ich muss Dir was sagen, es ist was passiert.“ Gefeiert habe sie so viel und jemanden kennen gelernt und es sei eben was passiert. Der Typ war mir bekannt. Türsteher in Würzburgs bester Disco, eigentlich dem einzigen Laden dort, der sich Club nennen durfte. Sehr cool. Er dagegen sah aus wie Donald Duck. Sein Mund jedenfalls machte das aus, in Kombination mit einer simpsonartigen Frisur. Nur die Simpsons gab’s damals noch nicht.

„Nein, wir haben uns nur geküsst…“ war die Antwort auf die übliche Frage und wahrscheinlich gelogen und wahrscheinlich auch nicht mehr sooo wichtig, denn das Verdikt „Es ist ernst.“ folgte.

Wahrscheinlich war es einfach ungünstig, dass ich in den letzten Monaten – wenn ich überhaupt am Wochenende nach Hause kam – Freitag abends meiner Süßen drei bis vier Stunden Geschichten vom Huren-Barras oder sogar vom Drecks-Huren-Barras, von Formalausbildung, Märschen und Unteroffizieren erzählt hatte, die den Befehl „Stillgestanden!“ noch mit der Kommentierung „Da rührt sich kein Sackhaar, auch wenn der ganze Himmel voller Votzen hängt!“ ergänzten. Im Anschluss an meinen unerwünschten Wochenreport gab ich ihr soviel und so guten Sex, wie das jemand mit 19 kann, um sofort im Anschluss in einen mindestens 12 Stunden andauernden Tiefschlaf zu fallen.

Samstags hatte ich mich regelmäßig gegen Abend normalisiert und zivilisiert. Doch schon der Sonntag war durch negative Vibes meinerseits geprägt. Der nahende Dienstbeginn, die Abreisevorbereitungen, die verrinnende Zeit, das Bild der Kaserne im Novembernebel – all das machten mich zu einem unerträglichen Begleiter.

Meine Freundin war damals 17 und begann das Nachtleben kennen zu lernen. Sie wollte leben. Das mit ihr und mir konnte so nicht gut gehen. Da hatte mein Kompaniechef schon Recht. Jetzt, genau 20 Jahre danach, sehe ich das nicht anders. Damals litt ich wie ein Hund. Mein Glück war, dass ihr Neuer neben seinem Doorkeeper-Job Zeitsoldat war. So ging sie vom Regen in die Traufe. Und wieder zum Regen zurück. Denn bei mir zog die Sonne nach 15 Monaten Wehrdienst wieder auf. Bei ihm erst nach vier Jahren.

Die Warschauer Brücke in Berlin Montag, Sept 6 2004 

Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass ich im Fernsehen Einstellungen sehe, die von der Warschauer Brücke in Berlin gemacht werden. Die Brücke an sich ist völlig unscheinbar. Erst recht, wenn man sie mit ihrem Nachbarn, der Oberbaumbrücke gemeinsam sieht. Im Gegensatz zu dieser überspannt die Warschauer Brücke auch nicht die Spree. Auch wird sie nicht wie ihre Schwester von prominenten Gebäuden wie dem von Universal Music oder Hafenanlagen umsäumt. Sie führt über eine Art Stadtschnellstraße der Eisenbahn. Auf einem guten Dutzend Schienensträngen verkehren in der südlichen Hälfte die Fern- und Regionalzüge, in der nördlichen die S-Bahn zwischen den Stationen Ostkreuz und Ostbahnhof. (mehr …)